Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Geschädigte und Kläger begehrt die (restliche) Zahlung von Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte als Schädigerin in vollem Umfang einzustehen hat. Auf Grundlage eines durch den Kläger eingeholten Schadensgutachtens ist der Kläger der Ansicht, er habe einen Anspruch auf Erstattung der fiktiven Reparaturkosten nach den Sätzen „seiner“ Werkstatt, auch wenn es sich dabei um eine freie Werkstatt handele, da er sämtliche bislang angefallenen Wartungen und Reparaturen dort habe durchführen lassen. Dagegen wendet sich die Beklagte und ist der Ansicht, der Kläger sei auf die Kosten einer Reparatur in (irgend-)einer freien Werkstatt zu verweisen. Zudem liege ein Bagatellschaden vor, so dass dem Kläger von vornherein kein Anspruch auf Ersatz von Sachverständigenkosten zustehe.
Das LG Saarbrücken entschied, dass sich der Kläger auf eine preisgünstige freie Werkstatt verweisen lassen muss, wenn er die Kosten fiktiv abrechnet.
Entscheidend ist dabei, dass die Beklagte dem Kläger eine geeignete, eindeutig beschriebene, aber kostengünstigere Werkstatt aufzeigt. Die Reparatur in dieser Werkstatt muss vom Qualitätsstandard her der einer Reparatur in einer markengebunden Werkstatt entsprechen.
Der Kläger hat mit Vorlage des Scheckheftes und anderer geeigneter Belege nachgewiesen, sein Fahrzeug durchgehend in einer bestimmten freien Werkstatt warten und reparieren zu lassen. Dadurch ergibt sich für das Gericht jedoch kein schützenswertes Vertrauen für eine Reparatur in „seiner“ Werkstatt, anders als bei durchgängiger Wartung und Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt, wenn er - wie hier - seinen Schaden fiktiv abrechnet.
Denn bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt bestehe insbesondere wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist. Durch die durchgängige Wartung und Reparatur in einer Markenwerkstatt begründe sich in diesen Fällen ein Vertrauen des Geschädigten in die Erhaltung eines höheren Wiederverkaufswerts. Ein entsprechendes schützenswertes Vertrauen kann es bei einer sog. „freien“ Werkstatt nicht geben, weil die durchgängige Wartung und Reparatur in einer freien Werkstatt keinen besonderen wertbildenden Faktor bei einem Wiederverkauf des Fahrzeugs darstellt.
Auch die Sachverständigenkosten musste die Beklagte als Schädigerin zahlen.
Nur in reinen Bagatellfällen ist die Beauftragung eines Sachverständigen zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht erforderlich. Wann ein Bagatellfall vorliegt, bestimmt sich aber nicht nur danach, ob in dem Gutachten eine bestimmte Schadenshöhe überschritten wird oder die Kosten in einem bestimmten Verhältnis zu den Sachverständigenkosten stehen. Denn dies ist dem Geschädigten im relevanten Zeitpunkt der Auftragserteilung gerade nicht bekannt. Entscheidend ist, ob der Geschädigte zum Zeitpunkt der Beauftragung eine sachverständige Beratung für erforderlich halten durfte. Das ist etwa nicht der Fall, wenn bei einem augenscheinlich geringfügigen Unfall nur ein oberflächlicher Sachschaden entstanden ist. Dies muss für den Geschädigten jedoch als Bagatelle ohne weiteres erkennbar sein.
Im konkreten Fall entschied das LG Saarbrücken, dass durch die Kollision Schäden an Frontstoßfänger, Nebelscheinwerferverkleidung sowie dem Kotflügel links und weiteren Anbauteilen verursacht wurden, deren Reparaturkosten der Kläger als Laie auch in ihrer Größenordnung nicht zuverlässig abschätzen konnte. Einem Laien offenbart sich die Notwendigkeit eines Austauschs gegenüber einer Reparatur und auch die Höhe der Ersatzteilkosten und Lohnkosten in einem solchen Fall nicht ohne weiteres.
LG Saarbrücken, Urteil vom 17.11.2017 - 13 S 45/17
Unter Beachtung der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, die bei Bagatellschäden bis 1.000,00 € die Einholung eines Gutachtens zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen als nicht zweckmäßig und nicht erforderlich einschätzt, überrascht das Urteil an diesem Punkt. Zunächst ist also der Besuch einer Werkstatt anzuraten, um eventuelle Kosten durch einen (meist kostenlosen) Kostenvoranschlag der Reparatur beziffern zu lassen. Sollte die Werkstatt die Reparatur auf mehr als 1.000 € schätzen, steht die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einklang.
Rechtsanwalt Daniel Krug
unter Mitwirkung von Rechtsreferendar Franz-Peter Helbig