Arbeitsrecht: Verfall von Urlaubsansprüchen

Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat im Februar 2019 in einem Grundsatzurteil entschieden, unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf Jahresurlaub erlischt und welche Pflichten dabei dem Arbeitgeber zukommen.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war von August 2001 bis Dezember 2013 als Wissenschaftler beschäftigt. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlangte er erfolglos, den von ihm nicht genommenen Urlaub im Umfang von 51 Arbeitstagen aus den Jahren 2012 und 2013 mit einem Bruttobetrag in Höhe von 11.979,26 Euro abzugelten. Einen Antrag auf Gewährung dieses Urlaubs hatte er während des Arbeitsverhältnisses nicht gestellt.

Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hatte angenommen, der Urlaubsanspruch des Klägers sei zwar zum Jahresende verfallen, der Kläger habe aber Schadensersatz in Form von Ersatzurlaub verlangen können, weil der Beklagte seiner Verpflichtung, ihm von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren, nicht nachgekommen sei. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Ersatzurlaubsanspruch abzugelten.

Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgericht hat es seine Rechtsprechung zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen weiterentwickelt und die Vorgaben des Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) aus der Vorabentscheidung vom 06.11.2018 (Az. C-684/16) umgesetzt.

Demnach sei es dem Arbeitgeber nach Maßgabe des Bundesurlaubsgesetzes vorbehalten, die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Jedoch sei der Arbeitgeber damit nicht gezwungen, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren.

Dem Arbeitgeber obliege aber aus der Arbeitzeitrichtlinie heraus die Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei der Arbeitgeber gehalten, „konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun“, EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16. Der Arbeitgeber habe aufgrund dessen klar und rechtzeitig mitzuteilen, dass der Urlaub am Ende des Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums verfallen werde, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nehme. Diese Grundsätze zum Urlaubsrecht sollen unabhängig davon gelten, ob es sich um einen öffentlich-rechtlich organisierten oder einen privaten Arbeitgeber handle. Einer eigenständigen Umsetzung der Arbeitzeitrichtlinie in deutsches Recht durch Erlass einer entsprechenden Norm bedürfe es nicht, so der EuGH.

Bei einer sogenannten richtlinienkonformen Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes könne der Verfall von Urlaub daher in der Regel nur eintreten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert habe, den Urlaub zu nehmen und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen habe, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres (Jahresende) oder Übertragungszeitraums (31. März des Folgejahres) erlösche.

Es ist dann immer im Einzelfall zu prüfen, ob der Arbeitgeber diesen Obliegenheiten nachgekommen ist.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15

 

Rechtsanwalt Daniel Krug

unter Mitwirkung von Rechtsreferendar Franz-Peter Helbig

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