Strafrecht: Flucht vor der Polizei als strafbares "Rennen"

Dem Beschluss lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Angeklagt war vor einer Polizeistreife geflüchtet, die ihn einer Verkehrskontrolle unterziehen wollte. In Zuge dessen überfuhr der Angeklagte mehrere rote Ampeln, überschritt die Geschwindigkeitsbegrenzungen um bis zu 110 km/h und schnitt an unübersichtlichen Stellen die Kurven. Die Polizeibeamten mussten die Verfolgung schließlich wegen des Risikos für andere Verkehrsteilnehmer und für sich selbst abbrechen.

Der Angeklagte wurde infolge dessen vom Amtsgericht Münsingen wegen des verbotenen Kraftfahrzeugrennens gem. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Des Weiteren wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen, der Führerschein eingezogen und für die Neuerteilung eine Sperrfrist von neun Monaten festgesetzt.

 Der Angeklagte legte Sprungrevision zum OLG ein.

Die Revision blieb ohne Erfolg. Das OLG begründete seine Entscheidung wie folgt:

 

Der Angeklagte handelte, wie es der Tatbestand des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB voraussetzt, in der Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dies verlangt jedoch nicht die Absicht, das Fahrzeug bis an die technischen bzw. physikalischen Grenzen auszufahren oder es mit objektiv höchstmöglicher Geschwindigkeit zu führen. Ausreichend ist hierfür das Abzielen auf eine relative, eine nach den Sicht-, Straßen- und Verkehrsverhältnissen oder die persönlichen Fähigkeiten des Fahrenden mögliche Höchstgeschwindigkeit.

Das Erreichen einer Höchstgeschwindigkeit muss dabei auch nicht Allein- oder Hauptbeweggrund der Fahrt sein. Wenn im Einzelfall weitere Tatbestandsvoraussetzungen festgestellt werden, kann in Fällen der „Polizeiflucht“ die Strafbarkeit gem. § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB vorliegen.

Dafür spricht zum einen der Gesetzeswortlaut als auch die Begründung zum Vorschrifttext. Schließlich ist eine Flucht von einem spezifischen Renncharakter geprägt. In diesem Renncharakter finden sich gerade die in der Gesetzesbegründung genannten Risiken wieder, auch wenn das Ziel des Wettbewerbs wie im vorliegenden Fall nicht im Sieg, sondern in der gelungenen Flucht liegt.

Eine risikobezogene Vergleichbarkeit mit sportlichen Wettbewerben liegt hierbei auf der Hand. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Vorschrift und der anvisierten Abgrenzung zwischen Fahrten mit abstrakt höherem Gefährdungspotenzial, wie zum Beispiel bei Fahrten mit Renncharakter und bloßen Geschwindigkeitsüberschreitungen, hielt das Gericht es mithin für nicht sinnwidrig, allein danach zu differenzieren, welches Motiv die Absicht, eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, schließlich ausgelöst hat.

OLG Stuttgart, Beschl. v. 04.07.2019, Az.4 Rv 28 Ss 103/19

 

Rechtsanwalt Daniel Krug

unter Mitwirkung von stud. iur. Wiebke Senns

 

 

 

 

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